Erfahrungen im Schüleraustausch in Ecuador
© Kim

Mein Schüleraustausch in Ecuador

Die Momente, in denen ich merke, dass ich in der Schule tatsächlich ecuadorianische Freunde gefunden habe mit denen ich mich jeden Tag besser verstehe und ich auch immer mehr mit meinen anderen Klassenkamerad*innen mache. Oder die Momente, in denen ich so gut wie alles verstehe was gesagt wird und ich, einfach als wäre es normal, in Spanisch antworte.

Erfahrungen im Schüleraustausch in Ecuador
© Kim

Ich kann es gar nicht glauben - Ich starte gerade den 4. Monat von meinem Auslandsjahr in Ecuador. Aber ich springe noch mal mit meinen Gedanken zu meinem letzten Tag in Deutschland zurück. Ich kann mich noch gut darin erinnern, als ich am 16.08.2022 aufgewacht bin und versucht hab zu realisieren, dass das der letzte normale Morgen mit Frühstück in unserer Küche mit meiner Familie sein wird - für 10 ganze Monate. Wenn ich mir diesen letzten Tag vorgestellt habe, dachte ich, dass ich viel emotionaler wäre, aber um ehrlich zu sein, habe ich, nicht mal als wir am nächsten Morgen schon mit den anderen Austauschschüler*innen, in das Flugzeug von Amsterdam nach Quito gestiegen sind, realisiert, dass das ein Abschied für fast ein Jahr war.

Aber jetzt waren wir erstmal auf einem sehr langen Flug in das Abenteuer, dass ich mir seit über einem Jahr vorgestellt hatte. In der Unterkunft nahe bei Quito, in der wir unsere zwei Orientationdays verbrachten, kamen den Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen von YFU Ecuador dann also eine Gruppe von 22 Jugendlichen entgegen, denen man das Gefühlschaos definitiv angesehen hat. Mit Jetlag und gemischten Gefühlen verbrachten wir eine sehr schöne und interessante Zeit zusammen mitten in den Anden auf 3.000 Metern Höhe. Und am Morgen des 20.08 saßen wir plötzlich zu fünft in einem Taxi, das uns mit 3 Stunden Fahrzeit in unser neues Zuhause, Santo Domingo de los Colorados, brachte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl das wir alle empfunden haben, als wir schließlich unsere Gastfamilien umarmt und eine Weile später unser Haus, Zimmer und Umgebung für dieses Jahr kennengelernt haben.

Zwei Tage später ging es dann auch schon in die Schule. Ich bin mit zwei anderen Austauschschülerinnen auf der gleichen Schule. Sobald wir hinter der Mauer des Schulgeländes waren, stand gleich die ganze Schule um uns herum und wir wurden tausend mal die gleichen Fragen gefragt. Am Anfang warst du fast die ganze Zeit von Menschen umringt und wurdest angestarrt, weil du eine von den einzigen Europäern bist, die manche der Kinder und Jugendlichen zum ersten mal „in echt“ gesehen haben. Nach zwei, drei Wochen wurden wir aber auch als normal angesehen und es wurde sehr viel entspannter.

Es ist einem bewusst, dass ein Auslandsjahr auch eine Achterbahn der Gefühle beinhaltet. Trotzdem war ich verwirrt als meine erste Tief-Phase schon nach ca. dem vierten Tag angefangen hat. Ich war komplett ohne Energie und hatte keine Lust mehr auf neue Leute. Die Schule hat mir dabei auch nicht wirklich geholfen mich von meinen negativen Gedanken abzulenken. Jeden Tag gehst du in die Schule, mit zu wenig Schlaf, setzt dich auf die (um ehrlich zu sein) nicht so bequemen Schulbänke und hörst den Vormittag Lehrer*innen und Mitschüler*innen zu, die diese Sprache sprechen, die du nicht verstehst und das in einem Tempo, was die Sache noch unmöglicher aussehen lässt. Also zusammenfassend kann ich jetzt sagen, dass es nicht eine meiner besten Zeiten war, aber ich habe mir auch klar gemacht, dass es komplett normal ist mal keine Energie zu haben und einfach nur zuhause in deinem Heimatland sein zu wollen. Es ist die normalste Reaktion die dein Körper zeigen kann, wenn er auf der andern Seite der Welt in einem Land sitzt, mit Leuten die er nicht kennt und einer Sprache die er nicht versteht.

Jedes Mal, wenn ich einen schlechten Tag habe, versuche ich mir klar zu machen, dass ich mich dafür nicht schlecht fühlen darf und mir meine Zeit nehmen muss, die ich brauche. Aber wie schon gesagt, -Achterbahn. Also nach jedem Down kommt auch wieder ein High. Bei mir gab es definitiv auch mehr von den Abschnitten mit einer schönen Aussicht. Das sind dann die Momente, wenn ich Deep-Talks mit meiner Gastschwester in unserem gemeinsamen Zimmer führe oder mit meinen Gasteltern über Gott und die Welt rede und ihnen über Deutschland erzähle oder ich versuche meiner Gastfamilie deutsche Wörter beizubringen. Das beste Wort wurde bei meiner Familie KATZE.

Die Momente, in denen ich merke, dass ich in der Schule tatsächlich ecuadorianische Freunde gefunden habe mit denen ich mich jeden Tag besser verstehe und ich auch immer mehr mit meinen anderen Klassenkamerad*innen mache. Oder die Momente, in denen ich so gut wie alles verstehe was gesagt wird und ich, einfach als wäre es normal, in Spanisch antworte. Und tatsächlich, was ich nicht geglaubt hätte dass ich das mal sage, die Momente in denen meine Gastmutter mir sagt, dass ich mich bewegen soll damit wir rechtzeitig los kommen. Bei diesen Sachen merke ich auch, dass ich schon mehr als Familienmitglied und Tochter angesehen werde als davor. Ich war sehr froh als mir meine Mutter letztendlich „erlaubt hat“ ein bisschen im Haushalt zu helfen. Also das ist auch wirklich nicht viel, weil wir eine Haushaltshilfe haben die von Monat bis Samstag den ganzen Tag da ist und ich nur sehr kleine Sachen mache, aber es ist wenigstens etwas. Am Anfang habe ich mich sehr bedient gefühlt und ich war froh als ich endlich helfen konnte. Ein schönes Gefühl. Einzigartig. So habe ich mich auch langsam wirklich eingelebt und fühle mich mittlerweile einfach nur wohl- zuhause.

Es waren die kleinen Sachen die geholfen haben mich so zu fühlen, als wäre ich angekommen. Zum Beispiel als ich es „geschafft „ habe einfach Nachmittags in die Küche zu gehen und mir etwas kleines zu kochen und mich am Kühlschrank zu bedienen oder meiner Mutter gesagt habe, dass ich etwas aus dem Supermarkt brauche und ob wir einkaufen gehen könnten. Es hört sich nach den einfachsten Sachen an, aber wenn du in einem Fremden Haus wohnst, wo die Sachen Menschen gehören, die du gerade erst mal eine kurze Zeit kennst, muss man sich erst einmal daran gewöhnen, dass du dich bedienen darfst und sie wie deine Familie behandeln kannst, denn sie sind es. Ich merke, dass ich auch, auch wenn ich erst 3 Monate hier bin, gelernt habe mich über die kleinen Dinge zu freuen. Das ist ein schönes Gefühl.

Also so langsam ist auch ein Alltag da. Morgens um 6:00 Uhr aufstehen, frühstücken und mit dem Auto zur Schule, die um 7:15 Uhr startet. Mit zwei Pausen sind wir um 13:15 Uhr wieder entlassen und nach dem Mittagessen wird sich erstmal ausgeruht. Denn für mich ist Schule immer noch Schule auch wenn sie wo anders ist. Meistens ist der Nachmittag nicht sehr spannend. Meine Eltern arbeiten und ich bin mit meinen Geschwistern zuhause und wir gucken zusammen etwas an oder spielen Spiele oder backen etwas. Am Abend gibt es für die ganze Familie privaten Boxunterricht. Das macht wirklich viel Spaß. Dann Abendessen und ab ins Bett.

Am Wochenende machen wir eigentlich immer etwas als Familie zum Beispiel Ausflüge nach Quito oder an den Strand, oder wir gehen auswärts essen oder andere schöne Aktivitäten. Da die Gastfamilien von den allen Gastschüler*innen in meiner Stadt gut befreundet sind, machen wir auch manchmal zusammen einen Ausflug, wie zu den Indigenen oder zum Strand. Und natürlich treffen wir Austauschschüler*innen uns auch manchmal und verbringen den Tag zusammen in der Mall oder in einem Haus von uns.

Was ich trotz den schönen Sachen gemerkt habe, ist, dass ich doch immer noch manchmal einen Kulturschock habe. Auch noch nach 3 Monaten. Es gibt immer wieder neue Sachen, die ich nicht verstehen kann oder bei denen ich nicht gedacht hätte, dass es sie hier noch gibt. Ich versuche es aber so gut es geht zu akzeptieren und versuche zu verstehen, warum es so ist.

Am fast Ende will ich noch ein bisschen was zu der Reise mit Vidatours in den Amazonas Regenwald erzählen. Es war eines der bisher besten Erlebnissen hier in Ecuador. Wenn du mit YFU ein Auslandsjahr in Ecuador machst, kannst du drei Reisen mitmachen, die extra nur für Austauschschüler*innen gemacht werden: Amazonas, Anden, Galapagos. Man muss sie extra zahlen aber sie sind perfekt und machen so viel Spaß. Ich mache alle drei und Anden und Galapagos sind nächstes Jahr an der Reihe. Der Amazonas Trip war wunderschön. Du erlebst mit den anderen Austauschschüler*innen tolle, neue Sachen, lernst eine andere Kultur und Lebensweise kennen und bist für eine Woche mitten im Dschungel - der Fluss als Anschluss an die Zivilisation. Es waren unbeschreiblich schöne Erfahrungen.

Ich komme jetzt einmal zum Ende und wünsche mir für mein restliches Auslandsjahr eigentlich nur noch mehr tolle neue Leute, Freunde, Erfahrungen. Zuletzt noch ein kleiner Dank an AJA, ohne deren Stipendium ich in dieses unglaubliche Jahr nie hätte starten können. Dankeschön!

Viele Grüße aus dem kleinen schönen Land in the middle of the world!

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