Mein Schüleraustausch in Irland
„One‘s destination is never a place, but a new way of seeing things“
Xenia | |
2020-2021 |
Auf einmal sieht man die Welt mit anderen Augen. Man hat eine neue Kultur kennengelernt, aber auch seine eigene zu schätzen gelernt. Man stellt fest, dass es viele Unterschiede gibt, die einen trennen könnten, aber dass umso mehr Gemeinsamkeiten die Kulturen, uns Menschen, miteinander vereinen.
Seit Tag eins meiner Vorbereitung stand mein Ziel für mein Auslandsjahr fest: Die wunderschöne grüne Insel mit knapp 5 Millionen Einwohnern, Regenbögen in den kräftigsten Farben, Jahrhunderte alten Burgen und lebensfroher Musik.
Am 21. August 2020 ging es endlich los und ich startete in das bisher größte Abenteuer meines Lebens. Hinter mir lagen nervenaufreibende Monate - der Vorbereitungsstress und das Ausbrechen einer Pandemie, von der ich noch nicht wusste, wie sehr sie auch mein Auslandsjahr beeinflussen würde. Aber nichts konnte meine Vorfreude trüben.
Meine Gasteltern und mein kleiner Gastbruder leben im Südosten Irlands, ziemlich abgeschieden, direkt am Rand eines kleinen Wäldchens. Zur Familie gehören außerdem zwei Hunde, zwei Kater und eine Eule namens Luna. Ich verstand mich mit allen auf Anhieb und habe mich gleich zuhause gefühlt.
Jeden Tag besuchte ich in meiner dunkelblauen Schuluniform das Fifth Year einer Secondary School. Auf meinem Stundenplan standen Fächer wie History, English, Maths und Music, die es auch in Deutschland gibt, aber auch Home Economics oder Irish. Mehr dazu findest du übrigens auf meinem YouTube Kanal „Xenia’s Xchange“ :). Von meinen Mitschülern wurde ich herzlich aufgenommen und sie halfen mir, wenn ich mich mal nicht zurechtfand. Auch im Unterricht bin ich gut mitgekommen und nach einer Weile war es ganz normal, auf Englisch unterrichtet zu werden.
Alles war so neu, so aufregend. In einem Land, wo dich niemand kennt, kannst du alles sein. Man lernt sich selbst kennen, findet heraus, wer man ist. Wer man ist, wenn man nicht mehr von seinem bisherigen Umfeld beeinflusst wird. Wer man ist, ohne die Erwartungen, den Druck. Ich fühlte mich so frei wie nie. Aber es gab auch Momente, in denen ich mir nichts sehnlicher wünschte, als ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Trotz der Offenheit und Freundlichkeit, die mir die Iren entgegenbrachten, fiel es mir schwer, Freunde zu finden. Einerseits war ich ziemlich eingeschüchtert von dem neuen Umfeld und habe mich nicht getraut, Mitschüler auf Englisch anzusprechen, anderseits wurde dies auch von der Pandemie zusätzlich erschwert, da man sich nicht nach der Schule treffen konnte und Freizeitaktivitäten kaum stattfanden. Nach Weihnachten waren wir dann komplett im Lockdown.
Da fühlt man sich natürlich schnell einsam und Heimweh ist nur noch eine Frage der Zeit. Warum tue ich mir das an? Was hab ich mir dabei gedacht! Wäre ich bloß in Deutschland geblieben! Erste Hilfe ist da erstmal Ablenkung. Gemeinsames Backen mit meiner Gastmutter, Spiele spielen mit meinem Gastbruder, ein langer Spaziergang durch die wunderschöne irische Landschaft oder ein Filmeabend mit der ganzen Familie - und schon ging es mir besser und ich war wieder froh, gerade in Irland zu sein.
Die gemeinsamen Erinnerungen mit meiner Gastfamilie - Geburtstage, Halloween, Thanksgiving, Weihnachten, Ostern, Wanderungen in den Bergen, Ausflüge ans Meer und auf die Saltee Islands - werde ich nie vergessen.
Pünktlich zum Saint Patricks Day war der Lockdown vorbei und ich durfte endlich wieder zur Schule gehen. Fest entschlossen, jede Minute, die mir in Irland blieb, auszukosten und zu genießen, ging ich jetzt viel selbstbewusster auf Menschen zu, kam mit ihnen ins Gespräch und schloss Freundschaften. Endlich wurden auch die Maßnahmen gelockert, sodass ich in den letzten Monaten viele Ausflüge unternahm und zum Beispiel mit dem Zug nach Dublin fuhr, mir das Castle in Kilkenny anschaute und am River Barrow entlangwanderte. Die Zeit lief mir davon, und obwohl ich schon einen Monat länger blieb als geplant, hatte ich noch längst nicht alles gesehen und war auch noch ich bereit, mich von meiner Gastfamilie zu trennen.
Endlich hatte ich mich in Irland eingelebt, hatte Freunde gefunden und Irland war zu einem zweiten Zuhause geworden. Genau als dieser Punkt erreicht war, wurde es Zeit, mich von meinem neuen Leben zu verabschieden und Ende Juni zurück nach Deutschland zu fliegen.
Ich habe mich sehr auf meine Familie gefreut, doch es fiel mir schwer, mich wieder in Deutschland einzuleben. Vieles hatte sich seit meiner Abreise nicht verändert und trotzdem fühlte es sich nicht an wie früher. Da wurde mir bewusst, dass es an mir liegt. Ich hatte mich verändert. Und erst jetzt wurde mir klar, was es wirklich bedeutet, Austauschschüler zu sein.
Sich fremd fühlen im eigenen Land - sich nirgendwo richtig zu Hause fühlen, weil man immer ein bisschen das andere Zuhause vermisst. Aber auch die Gewissheit, dass ich mich zu 100% auf mich selbst verlassen kann. Ich bin viel selbstbewusster geworden, wuchs an jeder Herausforderung und habe mehr Selbstvertrauen. Ich gehe offener auf Menschen zu und nehme Herausforderungen gelassener an, weil ich weiß, dass ich es schon irgendwie schaffen werde.
Auf einmal sieht man die Welt mit anderen Augen. Man hat eine neue Kultur kennengelernt, aber auch seine eigene zu schätzen gelernt. Man stellt fest, dass es viele Unterschiede gibt, die einen trennen könnten, aber dass umso mehr Gemeinsamkeiten die Kulturen, uns Menschen, miteinander vereinen.
Es gibt nicht die eine richtige Kultur, die eine richtige Lebensweise, das eine richtige Volk oder die eine Wahrheit, sondern viele. Und indem man aufeinander zugeht, seine Mitmenschen toleriert, respektiert und ihnen zuhört, werden statt Mauern Brücken gebaut, die die Kulturen, Lebensweisen, Völker und Wahrheiten miteinander verbinden.
Also falls du noch zögerst: Spring über deinen Schatten, erlebe unvergessliche Momente und sammle wertvolle Erfahrungen! Go for it!
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