Zurück aus deinem Auslandsjahr, was nun?
Hellen / Austauschjahr.de
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Deine Schüleraustausch-Erfahrung endet nicht mit dem Rückflug nach Deutschland. Genauso, wie du dich im Ausland eingewöhnen musstest, musst du dich nun auch wieder in deine „alte Heimat“ integrieren. Diese Rückkehr meistert jeder auf ganz unterschiedliche Weise. Man spricht bei diesem Phänomen auch von einem "Reverse Culture Shock", einem umgedrehten Kulturschock.
Johanna, Lukas und Marco haben das schon hinter sich und berichten in einem Interview mit austauschjahr.de von ihren Erfahrungen und geben euch Tipps für das Ankommen in der neuen, alten Heimat.
Hallo ihr Lieben, erzählt mal kurz wann, wie lange und wo ihr euren Schüleraustausch verbracht habt.
Johanna: „Ich war 20017/18 für ein Jahr in Irland.“
Lukas: „Ich war im Schuljahr 2011/12 für zehn Monate in Italien. Ich habe in Cagliari und Livorno gelebt.“
Marco: „Ich habe meinen einjährigen Schüleraustausch 2010/2011 in North Carolina/USA verbracht.“
Wie war es für euch wieder zurück nach Deutschland zu kommen?
Johanna: „Für mich war es deutlich schwieriger, wieder in Deutschland anzukommen als es war, nach Irland zu gehen. Ich hatte am Anfang extremes Heimweh nach Familie und Freunden in Irland und es fiel mir schwer, mich wieder an deutsche Sitten und die deutsche Familie zu gewöhnen.“
Lukas: „Der sogenannte Reverse Culture Shock war bei mir nicht sonderlich groß, da Italien und Deutschland ja doch einige Gemeinsamkeiten haben. Ansonsten habe ich mich auch darauf gefreut, wieder zu Hause zu sein. Manche Dinge lernt man erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat. Umso größer war der Schock, als jeder am Flughafen in Empfang genommen wurde, nur meine Familie war nirgends zu sehen. Nach einiger Zeit fand ich heraus, dass sich alle verkleidet und über den Frankfurter Flughafen verteilt hatten – und ich musste sie suchen."
Marco: „Nicht einfach! Ich dachte, dass man nach dem Jahr mit seinen doch schon langjährigen Freunden wieder richtig gut und ohne Probleme klar kommt. Dann kommt man zurück und bemerkt, dass man sich einfach geändert hat und die anderen auch ändern will. Man realisiert, dass man den anderen versucht von seinen Erlebnissen zu erzählen und einfach kein Interesse bei den alten Freunden besteht, sich das so ausführlich anzuhören, wie man es ihnen gerne erzählen würde. Diese werden zum Teil sogar dann sauer, weil man immer wieder anfängt von seinem Auslandsjahr zu erzählen. Außerdem, so war es bei mir, bin ich dann in eine Klasse gekommen, in der alle im Schnitt 2 Jahre jünger waren als ich. Da hatte man dann auch erst mal Probleme, mit den neuen jüngeren Mitschülern einen gemeinsamen Nenner und Interessen zu finden. Es kam also quasi das 2. Auslandsjahr auf mich zu."
Was waren Herausforderungen und Probleme bei der Rückkehr aus dem Auslandsjahr?
Johanna: „Hauptsächlich, dass ich mein irisches Leben extrem vermisst habe. Freitags war ich traurig, weil ich nicht zu meiner Jugendgruppe konnte, montags habe ich den Schulchor vermisst. Es gab jeden Tag andere Dinge, die mich an Irland erinnert haben und vieles in Deutschland hat sich einfach falsch angefühlt, zum Beispiel sage ich bis heute „danke“ zum Busfahrer, wenn ich aussteige und erwarte manchmal automatisch, dass ein persönliches Gespräch entsteht. Auch, dass ich wieder mittags warm essen oder mit Freunden in der Stadt und nicht im Klassenzimmer essen sollte, kam mir anfangs komisch vor. Meiner Familie fiel es auch manchmal schwer zu verstehen, warum mich manche schönen heimatlichen Dinge nicht glücklich, sondern traurig gemacht haben, aber sie haben sehr viel Verständnis gezeigt. Gleichzeitig war ich aber auch unglaublich froh, meine Freunde und meine andere Heimat wiederzusehen und habe mich immer wieder unglaublich gefreut, zum Beispiel als ich wieder in meiner Kirche war. Ich war also ziemlich zweigeteilt.“
Lukas: „Die größte Herausforderung war sicherlich mein Ego. Natürlich nimmt man bei einem Auslandsjahr viel mit und wächst ungemein, aber das heißt nicht, dass die Freunde zu Hause nichts erlebt haben. Ich musste erst lernen, nicht die ganze Zeit von meiner Zeit in Italien zu erzählen und auch mal zuzuhören, was meine Freunde in dem Jahr gemacht haben. Eine weitere Herausforderung war die Reflexion des Erlebten. Das Auslandsjahr endet nicht mit dem Rückflug, sondern zieht sich noch mindestens zwei, drei Monate nach, in denen man viel über das Erlebte nachdenkt.“
Marco: „Man hatte so das Gefühl, die Welt im Heimatland sei stehen geblieben. In diesem Jahr hatte sich für einen selbst so quasi alles geändert, aber bei allen anderen zu Hause hatte sich nicht viel getan.“
Was fiel euch dabei besonders schwer?
Johanna: „Tatsächlich, dass ich zwei Leben hatte, die ich irgendwie verbinden musste, ohne das eine oder das andere zu vernachlässigen, und ohne, dass ich aus dem irischen überhaupt weg wollte.“
Lukas: „Häufig kam der Gedanke 'Was wäre gewesen, wenn ...?' und nicht selten war der Gedanke mit Schuldgefühlen verbunden. Manchmal war ich vielleicht nicht so offen gegenüber meiner Gastfamilie und italienischen Freunden, wie ich es im Idealfall hätte sein können. Es war also wichtig zu verstehen, dass Konflikte und Schwierigkeiten zu einem Auslandsjahr dazu gehören, genauso wie all die schönen Momente. Meine Aufgabe war es, nach meiner Rückkehr trotzdem wertvolle Erfahrungen aus den unschönen Momenten zu ziehen.“
Marco: „Zu akzeptieren, dass ich mich selbst verändert habe und es annehmen muss, dass viele Andere das nicht haben und auch nicht bereit sind das zu tun. Dass nicht nur die Amerikaner an alten Traditionen hängen, sondern dass wir als Deutsche kein Stück besser sind und unsere Gewohnheiten auch nur ungern ablegen.“
Wie war es mit „alten“ Freundschaften? Wie haben sich eure Freundeskreise entwickelt?
Johanna: „Mein Freundeskreis ist tatsächlich weitgehend gleich geblieben, wir unterhalten uns immer noch genauso gern wie zuvor. Ich habe oft gehört, dass Freundschaften durch ein Auslandsjahr zerbrechen, aber das war bei mir nicht der Fall. Ich hatte in Irland keine so tiefgreifenden Freundschaften wie in Deutschland, also habe ich mich gleich doppelt gefreut, dass sich in dieser Hinsicht hier nichts verändert hat.“
Lukas: „Dadurch, dass ich nach meinem Auslandsjahr in der Schule genau da weiter gemacht hab wo ich aufgehört habe, kam ich in eine völlig neue Jahrgangsstufe und Klasse. Dort lebte ich mich aber sehr schnell ein und fand rasch einige Freunde. Der Freundeskreis, den ich vor der Zeit in Italien hatte, wurde dementsprechend etwas kleiner, aber der Kern blieb erhalten.“
Marco: „Wie schon gesagt: Mir ist es nicht so einfach gefallen wie gedacht und ich fand es schwierig, wieder zurück in meinen alten Freundeskreis zu finden. Meine Freunde wussten zwar, dass ich ein Jahr in den USA gelebt habe, was aber hinter diesem Schüleraustausch steckte und wie ich mich nach diesem Auslandsjahr fühlte, konnten sie nur schwer verstehen. Ich glaube, dafür muss man es selbst erlebt haben.“
Wie hat euch euer Schüleraustausch verändert?
Johanna: „In so vielerlei Hinsicht, dass es schwer zusammenzufassen ist. Ich glaube, ich bin selbstbewusster, offener und selbstständiger geworden und mag es nun lieber, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem habe ich die Art, wie man in Irland lebt, in vielerlei Hinsicht übernommen und gehe nun zum Beispiel auch anders mit meinen Eltern um, als vor dem Auslandsjahr, zum Beispiel in Hinsicht auf Humor.“
Lukas: „Das Auslandsjahr hat mich in vielerlei Hinsicht verändert. Die weitreichendsten Veränderungen fielen mir aber erst einige Zeit später auf: Ich habe gelernt, Verantwortung – auch für meine eigenen Handlungen – zu übernehmen und bin viel selbstständiger geworden. So ist mir zum Beispiel der studienbedingte Auszug viel leichter gefallen, als ohne das Auslandsjahr. Die Erfahrung, sich in einer komplett neuen Stadt ein Zuhause mit Freunden etc. zu schaffen, half mir bei dem Einstieg in meinen neuen Lebensabschnitt. Zudem hat mir das Auslandsjahr zu dem Selbstvertrauen verholfen, das mir davor fehlte. Außerdem festigte sich mein Charakter durch den Schüleraustausch.“
Marco: „Schwer zu sagen… Man denkt immer, sowas mache aus einem einen besseren Menschen. Einen Menschen ganz ohne Vorurteile. Man bemerkt dann aber, dass man immer noch genauso denkt, aber einfach Vorurteile schneller ablegen kann. Die Sprachkenntnisse haben sich natürlich auch verbessert und man lernt sich vor allem selbst besser kennen, da man vor allem zu Beginn viel Zeit mit sich selbst verbringt.“
Welche Tipps könnt ihr geben, die das Ankommen in Deutschland erleichtern?
Johanna: „Geht unbedingt zum Nachbereitungscamp! Vor dem Camp habe ich mich häufig gefühlt, als wäre ich der einzige, dem es ziemlich schlecht geht, aber das Camp hat dabei unglaublich geholfen. Auch ganz besonders deshalb, weil wir uns untereinander austauschen konnten und Zeit hatten, auf die positiven und negativen Aspekte des Auslandsjahres zurückzublicken.“
Lukas: „Natürlich sprudelt es erst einmal aus einem raus, wenn man mit der Familie und den Freunden die ersten Male nach der Rückkehr spricht. Ihr, die ihr vor kurzem zurück nach Deutschland gekommen seid oder bald zurück kommt, solltet aber nicht vergessen, dass auch eure Leute zu Hause etwas in dem Jahr erlebt haben und eventuell ein ähnliches Mitteilungsbedürfnis haben. Also: auch mal zuhören und nicht nur selbst erzählen. Das kann Streit vermeiden. Außerdem lege ich euch nahe, euch eine gute Antwort auf die Frage 'Und, wie war es?' zu überlegen. Die Frage werdet ihr nämlich häufig gestellt bekommen. Was auch bei der Reflexion der Erfahrungen helfen kann, ist der Austausch mit anderen Austauschschülern. Also sucht den Kontakt, indem ihr zu Nachbereitungsseminaren fahrt oder euch bei eurer Austauschorganisation engagiert. So könnt ihr auch eure Erfahrungen an zukünftige Austauschschüler weitergeben."
Marco: „Lasst euch einfach überraschen wie es wird, wenn ihr wieder daheim seid. Seht es als 2. Auslandsjahr. Seid nicht von euch selbst enttäuscht, wenn die erste Zeit zurück im Heimatland für euch schwer wird oder wenn ihr euren alten Freundeskreis nicht mehr habt. Erzählt von eurem Abenteuer, aber stellt euch darauf ein, dass nicht jeder eure Erlebnisse nachvollziehen kann.“